Verrückt genug Schriftstellerin zu werden - Ein Roman von Brigitte Sattelberger
Kapitel 01 Buchvorstellung
Nach den anstrengen Stunden des vergangenen Tages genoß sie die sanfte Wärme, die sie einhüllte und eine totale Entspannung hervorrief. Danach frottierte sie sich kräftig ab und schlüpfte in ein seidenes Nachthemd, das sich angenehm kühl auf ihrer Haut anfühlte. Beim Zähneputzen nickte sie ihrem Visavis im Spiegel zu: „Ich glaube, die Frau hat gar nicht so Unrecht! Ich werde ihre Anregung aufgreifen, vielleicht unter dem Titel
‚Nur wer verrückt genug ist, sollte Schriftstellerin werden’.“
Sie schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse, lachte laut auf, fuhr sich mit der Zunge über die frisch geputzten Zähne und wischte sich den letzten Rest Zahnpasta vom Mund. Sie schaute erneut in den Spiegel, nickte:
„Verrückt genug für ein solches Experiment muß ich sicher von Anbeginn an gewesen sein. Oder?“
Der Gedanke ließ sie selbst im Bett nicht mehr los, und das „Oder“ hatte sich längst verflüchtigt. Ihr Wunsch, zu dem Thema ein gutes Buch zu schreiben, blieb im Vordergrund und weckte konkrete Vorstellungen. Am Ende allerdings war die Müdigkeit stärker als ... Die Augenlider fielen ihr zu, und sie sank in Morpheus Arme.
Die ersten Sonnenstrahlen, die durch das weit geöffnete Fenster fielen, weckten sie. Die Augen noch halb geschlossen, lauschte sie dem Gesang der Vögel, bevor sie sich erhob und reisefertig machte. Sie ging hinunter in den Frühstückssalon des Hotels, wundervoll gelegen – mit Blick zum See. Doch es gelang ihr nicht, das Frühstück in Ruhe zu genießen. Hatte sie noch tags zuvor die einmaligen Stuckarbeiten an den Decken und die Innenausstattung dieses Raumes bewundert, so plagte sie jetzt eine Nervosität, die solchen Betrachtungen keinen Platz ließ. Während sie in ihr Brötchen biß, war sie nur von einem Gedanken beseelt: Schreib diesen Roman, schreib diesen Roman. Es beschäftigte sie so stark, daß sie nicht auf die Uhr schaute und glatt das Taxi vergaß, das sie zum Bahnhof bringen sollte. Glücklicherweise kam die Angestellte der Rezeption an ihren Tisch:
„Gnädige Frau, Ihr Taxi wartet draußen.“
„Vielen Dank für Ihren Hinweis.“