Verrückt genug Schriftstellerin zu werden - Ein Roman von Brigitte Sattelberger
Kapitel 03 Der erste Versuch
„Schön, daß Sie wieder da sind, Frau Schorn!“
Ihre Kollegin, Frau Lange, begrüßte sie. „Sie sehen einfach fabelhaft aus, fünf Jahre jünger.“
„Danke für das Kompliment. Es ist erstaunlich, was zwei Wochen Urlaub bei Sonne und Wind ausmachen. Ihnen würden ein paar Tage Erholung auch gut tun, liebe Kollegin.“
„Ja, ja“, – ein Seufzer – „aber Sie wissen ja, es geht nicht“, wobei die Frau resigniert den Kopf senkte.
Cornelia kannte den Grund nur zu gut: eine seit Jahren pflegebedürftige Mutter.
„Gab es während meiner Abwesenheit etwas Besonderes?“
„Nein, alles okay. Nur der Kaffee ...“
„Was ist damit?“
„Ich konnte den Wünschen des Chefs wie immer nicht gerecht werden.“
„Hat er etwas gesagt?“
„Nicht direkt, aber wenn er nicht aufhört, in der Tasse zu rühren, weiß ich Bescheid.“
„Ich glaube, Sie sehen da zu schwarz, Frau Lange. Mir schmeckt Ihr Kaffee.“
Cornelia wußte um die Eigenheiten und Marotten des Chefs. Trotzdem arbeitete sie gern unter seiner Leitung. Zu seinen Marotten gehörten halt der Kaffee ebenso wie Frau Lange als ihre Urlaubsvertretung. Er gewöhnte sich nicht gern an ein neues Gesicht. Alles mußte seine Ordnung, seinen Platz haben.
„Ach, bevor ich’s vergesse, ich soll Ihnen ausrichten, der Chef ist zu einer Sitzung zu den Simonis gefahren.“
„Danke, Frau Lange. Na, dann will ich mal“, wobei Cornelia die Klinke zum Sekretariat herunterdrückte und verschwand.
Gertrud Lange war wirklich ein Schatz. Sogar die Ablage hatte sie bis auf den letzten Tag erledigt. Lediglich zwei Bänder lagen auf Cornelias Schreibtisch, die der Chef wohl am Samstag noch besprochen hatte.
Kurz darauf hörte sie seine Stimme – auch den unverwechselbaren, kräftigen Schritt. Mit seinen an den Schläfen stark ergrauten Haaren und den überaus wachen Augen, war er trotz seiner fast sechzig Jahre eine imposante Erscheinung.
„Guten Morgen, Frau Schorn. Haben Sie sich gut erholt?“
Er reichte ihr die Hand, ohne eine Antwort auf seine Frage zu erwarten. Eine Höflichkeitsfloskel, denn er ging gleich zur Tagesordnung über.
„Ich sehe, Sie haben die beiden Bänder bereits gefunden. Die Besprechung bei Simonis ist kürzer verlaufen, als ich dachte. Sie hat leider zu keinem Abschluß geführt. Die Konkurrenz schläft nicht! Widemeyer & Sohn scheinen uns wieder einmal zwei Nasenlängen voraus zu sein. Aber wir sind nicht aus dem Rennen.“
Eine kurze Pause, dann: „Wenn wir in das Japan–Geschäft einsteigen wollen – ein bedeutender Auftrag –, müssen wir weitaus schärfer kalkulieren als bisher. Obwohl ich dafür kaum eine Möglichkeit sehe“, stöhnte er. „Ich werde in nächster Zeit viel auf Reisen sein. Wir müssen Präsenz zeigen. Vielleicht können wir die Konkurrenz schlagen? Wichtige Dinge werde ich telegraphisch durchgeben. Sie schalten und walten wie bisher als guter Geist.“
„Gewiß, Herr Direktor, ich wünsche Ihnen zu dem Unternehmen viel Glück.“
„Danke, wir können es gebrauchen.“