Verrückt genug Schriftstellerin zu werden - Ein Roman von Brigitte Sattelberger
Kapitel 06 Der Tod streckt seine Hand aus
Mit Busonis Abgang kehrten Frieden und Harmonie zurück. Der Neue, Herr König, eine weniger schillernde Persönlichkeit, schien ein in sich ruhender Pol zu sein. Er kam seiner Aufsichtspflicht nach, respektierte aber offensichtlich die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen. Er galt als pflegeleicht.
Die Sekretärin des Direktors, Edith Müller, suchte schon länger Cornelias Gesellschaft und überraschte diese eines Morgens mit der Frage:
„Haben Sie und Ihr Mann für dieses Jahr bereits Urlaubspläne geschmiedet, Frau Schorn?“
„Mein Mann fährt zu einer Kur nach Bad Kissingen – leider ausgerechnet in meiner Urlaubszeit. Ich habe mir daher nichts vorgenommen.“
„Wollen Sie Ihren Mann nicht begleiten?“
„Ja und Nein. Fahre ich mit, bedeutet das für den Kurenden nur Streß. Aus meinen bisherigen Erfahrungen weiß ich, daß die ärztlichen Anwendungen viel Zeit in Anspruch nehmen und es keineswegs Vergnügen bereitet, dauernd auf die Uhr schauen zu müssen, will einer den anderen nicht warten lassen. Allein zu verreisen, habe ich keine Lust, also werde ich zu Hause bleiben. Und wo soll es bei Ihnen in diesem Jahr hingehen?“
„Ich fahre nach Italien. Hätten Sie vielleicht Lust, mit mir in den sonnigen Süden zu fahren? Was halten Sie von meinem Vorschlag?“
„Ich gebe zu, die Idee ist verlockend und überlegenswert, sofern ich auch meinen Mann dafür begeistern kann.“
„Das wird Ihnen hoffentlich nicht schwerfallen, oder?“
„Mal sehen! Ich werde mit ihm darüber reden.“
„Tun Sie das bitte. Wir zwei, ich stelle mir das reizvoll vor.“
„Vielleicht.“
Peter zeigte sich wenig erfreut, wußte aber, daß seine Frau nach den Umbauarbeiten im Haus einen Urlaub dringend nötig hatte. Ihre Kräfte waren durch die Doppelbelastung von Beruf und Haushalt aufgezehrt, auch wenn sie nicht klagte. Cornelia sehnte sich nach Sonne und Meer und war deshalb überzeugt, mit dieser Reise genau das Richtige für sich zu tun. Bald darauf schmiedeten die beiden Frauen eifrig Reisepläne: Kleiderfragen, Anzahl der Koffer oder zusätzlicher Reisetaschen, Lektüren, alles wurde genauestens erörtert. Der letzte Arbeitstag – sie verließ das Büro erst gegen 21:00 Uhr, um ja keine unerledigten Akten liegenzulassen. Am nächsten Morgen klingelte der Wecker noch früher als sonst. Vierundzwanzig Stunden Bahnfahrt lagen vor ihnen mit zweimaligem Umsteigen. Auf den letzten Kilometern konnten es beide kaum erwarten, endlich ihrem Endziel – Riccione – näher zu kommen. Cornelia öffnete das Fenster des Zugabteils. Salzhaltige Luft strömte herein. Die Vorboten des Meeres. Eine Pferdekutsche brachte die beiden Frauen vom Bahnhof in das nahe gelegene Hotel. Das Doppelzimmer mit Dusche, Balkon und Aussicht zum Meer lag im zweiten Stock und machte einen gepflegten und sauberen Eindruck. Sie spürten auf allen Ebenen, daß hier eine Frau waltete, die die Wünsche der weiblichen Gäste genau kannte – sogar im Kleiderschrank hingen genügend Bügel. Ja, hier konnten sie sich wohlfühlen!