Kapitel 07 Abschied

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Zwei Jahre waren seit dem Tod ihrer Mutter vergangen. Cornelia und Peter entschlossen sich für einen Urlaub in Italien.

„Was hältst du davon, mit uns zu fliegen, Papa? So lange ich zurückdenken kann, bist du von dem Wunsch beseelt gewesen, einmal Italien kennenzulernen.“

„Das stimmt, und es ist sehr lieb von dir gemeint. Ich möchte jedoch zu Hause bleiben – werde auf euer Haus aufpassen.“

Kein Zureden half. Hätte sie das nicht stutzig machen müssen? Die Vorfreude auf diesen Urlaub nach Jahren überwog und machte sie blind.

Bei ihrer Rückkehr fand sie ihren Vater total verändert vor: Er schwankte beim Gehen und litt unter Sprachschwierigkeiten. Ihr erster Gedanke – ein leichter Schlaganfall. Sie suchte mit ihm sofort einen Arzt auf, der zur genaueren Konsultation einen Krankenhausaufenthalt vorschlug.

Zum Geburtstag des Vaters eilte Cornelia mit einem Blumenstrauß in der Hand durch die Gänge. Der Stationsarzt trat aus seinem Zimmer und versperrte ihr den Weg.

„Gut, daß ich Sie treffe. Ich würde gern mit Ihnen etwas besprechen, bevor Sie zu Ihrem Vater gehen. Es ist sehr wichtig.“

Sie folgte ihm, blieb aber an der Tür stehen.

„Bitte nehmen Sie Platz, es dauert etwas länger.“ Er räusperte sich. „Alle Untersuchungen sind abgeschlossen – die Ergebnisse liegen mir vor. Damit auch die genaue Diagnose. Was ich Ihnen jetzt sage, fällt mir nicht leicht“, wieder machte er eine Pause. „Ihr Vater leidet an einem BronchialKarzinom. Inoperabel, mit Metastasen im Gehirn. Ihm wird nicht mehr allzuviel Zeit bleiben – ein paar Monate, vielleicht nur Wochen. Der günstigste Verlauf wäre, eine der Metastasen im Gehirn würde platzen, andernfalls ...“, wieder eine Pause, „wird er bei vollem Bewußtsein ersticken. Ich meine, Sie sollten das wissen. Eine Woche können wir ihn noch hierbehalten, dann muß er in die häusliche Obhut entlassen werden, Frau Schorn. Sie haben also ein paar Tage Zeit, Vorsorge zu treffen.“

Cornelia wechselte die Farbe. Fahle Blässe überzog ihr Gesicht. Sie mußte mehrmals schlucken. Der ihr im Hals sitzende Kloß drückte ihr fast die Luft ab. Sie klammerte sich an den Blumen fest, die sie in der Hand hielt, Blumen für Vaters Geburtstag.

„Es bestehen also keinerlei Chancen für ihn, Herr Doktor?“

„Nein! Leider keine. Selbst mit einer ChemoTherapie wäre ihm nicht geholfen. Es liefe auf unnötige Strapazen für den Patienten hinaus, und die möchte ich ihm ersparen.“

„Danke für Ihre Offenheit. Ist es möglich, hier noch einige Minuten zu bleiben, um meine Fassung zurückzugewinnen? Ich möchte meinem Vater in diesem erregten Zustand nicht gern unter die Augen treten. Darf ich Sie bitten, ihm die wahre Diagnose zu verschweigen. Es ist besser so.“

„Wie Sie wünschen, Frau Schorn.“

Cornelia mußte ihre ganze Kraft zusammennehmen, um ihren Vater frohgestimmt zu begrüßen und ihm alles Gute zum Geburtstag wünschen zu können.

Eine Woche später holte sie ihn aus dem Krankenhaus. Ihr Angebot, bis zu seiner „Genesung“ zu ihr und Peter zu ziehen, schlug er mit den Worten aus:

„Laß mich bitte in meinen vier Wänden bleiben, Kind. Das verstehst du doch! Wenn du allein wärst, vielleicht, aber mit Peter zusammen, nein, das würde nicht gut gehen, glaube mir.“

„In Ordnung, Papa, wir machen es, ganz wie du willst. Ich werde alles arrangieren.“

„Ich danke dir, mein Kind!“