Kapitel 12 Der Verlagsvertrag

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In Dresden wollte sie sich bei einer der großen Zeitungen persönlich vorstellen. Kaum war der Gedanke zu Ende gesponnen, hielt sie den Telefonhörer in Händen, um ihre Freundin Traudel anzurufen:

„Ja, bitte“, sagte eine Frauenstimme.

„Hallo, hier ist Cornelia. Guten Abend, Traudel. Ich hoffe, ich störe dich nicht!“

„Keineswegs, im Fernsehen ist eh nichts Gescheites. Ich habe gerade gelesen. Aber sag, wie geht es dir, und schön, daß du anrufst.“

„Danke, es geht mir gut, Traudel. Der Grund meines Anrufes: Kann ich für vier Tage nach Dresden kommen?“ und sie erzählte, was sie vorhatte.

„Du weißt, daß du immer herzlich willkommen bist. Ich freue mich. Wann kommst du, damit ich alles vorbereiten kann?“

„Bitte, keine Umstände. Aber wenn es dir recht ist, komme ich in vierzehn Tagen.“

„Alles klar. Ruf mich bitte am Tag vorher an, ob es bei dem Datum bleibt.“

„Geht in Ordnung, danke.“

„Wofür? Ich freue mich auf unser Wiedersehen. Also bis dann. Tschüß.“

Ursula hatte das Gespräch verfolgen können: „Vier Tage – eine kurze Zeit. Warum fliegen Sie nicht?“ erkundigte sie sich.

„Ich habe mit dieser Möglichkeit geliebäugelt. Setze ich die Zeitersparnis ins Verhältnis zu den Kosten – einschließlich Taxifahrten von hier zum Flughafen und zurück, das gleiche in Dresden – nein, da fahre ich besser mit der Bahn.“

„So betrachtet, haben Sie natürlich recht, Frau Schorn.“

Die Mahlzeiten für Peter kochte sie vor und fror sie ein, damit war für sein leibliches Wohl gesorgt.

Traudel freute sich ganz besonders über ihren Besuch. Ihre Mutter war im Jahr zuvor gestorben, und sie konnte sich mit dem Alleinsein nur schwer abfinden. Cornelia und sie redeten Stunde um Stunde, ohne daß ihnen der Gesprächsstoff ausging. Am nächsten Morgen rief Cornelia die Referentin der Sächsischen Zeitung an. Nicht wenig Überzeugungsarbeit war vonnöten, aber dann erhielt sie einen Termin für den kommenden Vormittag.

Freudig gestimmt fuhren die beiden Freundinnen mit der Straßenbahn in die City, wo der Zeitungsverlag residierte. Die Sicherheitskontrollen glichen denen einer gut bewachten Bank. In der Empfangshalle mußte Cornelia einen Besucherschein mit Datum, Uhrzeit und Angabe des Besuchsgrundes ausfüllen, was sie irritierte. Sie wollte doch lediglich ihr in einem Monat erscheinendes Buch zu einer Rezension anbieten und keine Werksspionage betreiben. Sicherlich waren diese antiquierten Vorschriften ein Überbleibsel aus dem sozialistischem System, überlegte sie. Die zuständige Aufsicht überprüfte das von ihr ausgefüllte Formular sorgfältig, und als auch der Blick von Angesicht zu Angesicht keine Beanstandung hervorrief, durfte Cornelia passieren und in die oberen Etagen entschweben.