Kapitel 13 Ein unverhofftes Wiedersehen

Kapitelübersicht

Der Druck im Magen verstärkte sich und brachte Cornelia in die Jetztzeit zurück. Während der ganzen Reise hatte sie ihren Werdegang als Autorin bis zur Erstveröffentlichung ihres Romans Revue passieren lassen. Jetzt, auf der Welle des Erfolges, war das genau der richtige Stoff für ein neues Buch. Aber zunächst einmal meldete sich ihr Hunger. Das unangenehme Rumoren ließ sich nur im Zugrestaurant beenden, kombinierte sie, und schon verschwand ihr rotes Notizbuch mitsamt dem Schreiber in der Handtasche. Ein nicht gerade anmutiger Gang durch drei Wagen, und sie erreichte das Bordrestaurant. Der größte Ansturm schien vorüber, obwohl ihre Armbanduhr erst 13:00 Uhr anzeigte. Ein kurzer Blick über die Zweier und Vierertische – warum nicht den größten nehmen, entschied sie und ließ sich in die weiche Polsterung der Sitzbank fallen. Der Kellner kam erfreulich bald und nahm ihre Bestellung auf: Hirschgulasch mit Spätzle, Rotkohl und Apfelkompott. Allein die Vorstellung dieses Menüs zog ihr das Wasser im Munde zusammen. Als das Gericht serviert wurde, rollte der Zug gerade aus der Stuttgarter Bahnhofshalle. Nur nicht gleich gierig alles hinunterschlingen, sondern diese Köstlichkeiten genießen, nahm sie sich vor. Sie langte gerade zu, als sie eine Stimme neben sich sagen hörte:

„Das darf nicht wahr sein! Sind Sie es wirklich – Frau Schorn – oder sehe ich nur eine Fata Morgana?“

Sie schaute unwillig hoch. Ein eleganter Herr mit weißem Haar stand nur wenige Schritte entfernt. Die Augen strahlten jungenhaft, aber mit einem unverkennbaren Glanz darin. Sie wußte auf der Stelle den Namen des Mannes.

„Frank Mayer mit ay“, rief sie aus.

„Ja, ich bin es leibhaftig – nach so vielen Jahren. Ich freue mich, Frau Schorn.“

„Und ich erst, Herr Mayer.“

„Darf ich mich zu Ihnen setzen, Cornelia?“

Er hatte sogar ihren Vornamen behalten.

„Ich bitte darum. Wo kommen Sie her? Sind Sie gerade in Stuttgart zugestiegen?“

„Ja! Da ich noch nicht zu Mittag gegessen habe, wollte ich das im Zugrestaurant nachholen. Und dieser Umstand versetzt mich in die glückliche Lage, Ihnen zu begegnen. Wie schön!“ wobei er Platz nahm und ihre Hand an seine Lippen hob. „Bitte lassen Sie sich beim Essen nicht stören.“

Es bereitete ihm immer noch Mühe, seine langen Beine unter dem Tisch unterzubringen, bemerkte sie still, als ihre Knie aneinanderstießen, und der Tisch ein wenig wackelte. Sie schauten sich an und lachten. Cornelia war es, als seien sie erst gestern und nicht vor über dreißig Jahren auseinandergegangen. Obwohl sie auf Norderney nur wenige Tage miteinander verbracht hatten, war eine große Vertrautheit zwischen ihnen zu spüren.

„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich über unser Wiedersehen freue, Cornelia. Ist es dir recht, wenn wir nach so vielen Jahren aufs vertraute Du übergehen? Du bist ja zwischenzeitlich eine sehr bekannte Frau geworden.“