Verrückt genug Schriftstellerin zu werden - Ein Roman von Brigitte Sattelberger
Kapitel 14 Das Erstlingswerk
Von Dresden nach Saarbrücken zurückgekehrt, hatte es sie wie so oft in die Stadt gezogen. Sie brauchte dieses hektische Getriebe. Heute wollte sie zwei Geburtstagsgeschenke kaufen und in der Konfektionsabteilung eines Kaufhauses nach einem bestimmten Rock schauen. Der Preis hatte sie bisher vom Kauf abgehalten – sie wollte nicht für den Markennamen extra zahlen, der wie der Name eines Papageien klang. Sie kam weder mit den Geburtstagsgeschenken noch mit dem Rock richtig zum Zug, was sie ärgerte. Selbst in der Lebensmittelabteilung fand sie nicht, wonach sie suchte. Sie kannte solche Tage, da ging sie mit den besten Vorsätzen weg, ohne auch nur etwas zu erreichen. Unzufrieden schlenderte Cornelia zuletzt durch die Porzellan-Abteilung. Ihr Interesse für Geschirr erlahmte nie, egal, ob es sich um Kaiser, Hutschenreuther oder Meißner handelte. In der Abteilung sah sie überrascht zwei junge Leute aus Meißen beim Schaumalen. Kindheitserinnerungen wurden wach. Das Zwiebelmuster war in ihrem Elternhaus stets bevorzugt worden, aber die Bomben hatten auch diese Kostbarkeit zerstört. Zwanglos kam Cornelia mit der jungen Frau und dem jungen Mann ins Gespräch. Sie plauderten von der alten Heimat – Meißen lag ja nur einen Katzensprung von Dresden entfernt, und es dauerte nicht lange, da erwähnte sie ihr Buch. Die junge Frau, die sich als eifrige Leserin beschrieb, interessierte sich für „Schatten der Vergangenheit“ und versicherte, den Roman bei ihrer Rückkehr sofort bestellen zu wollen.
Cornelia versprach im Gegenzug, bei nächster Gelegenheit in Dresden das Buch zu signieren. Leider gab es noch kein Exemplar in den hiesigen Buchhandlungen zu kaufen – trotz Lieferterminzusage für Oktober. Wenn das so weiter geht, kannst du das Weihnachtsgeschäft vergessen, maulte sie innerlich.
Bekannte und Freunde fragten schon ungeduldig nach, versicherten ihr, es in den Buchhandlungen längst vorbestellt zu haben.
Cornelia saß weiterhin wie auf heißen Kohlen. Am 10. Dezember erhielt sie, zeitgleich mit dem Buchhandel, die erste Lieferung per Postbote. Da lag es nun, in Cellophan verpackt, ihr symbolisches Kind, ihr Erstlingswerk. Von Glücksgefühlen durchzogen, hielt sie es in den Händen. Endlich konnte der Verkauf losgehen. Sie verlor keine Zeit, rief Freunde und Bekannte an und versprach einigen, die Bestellung zu übernehmen.
Aus der Mitteilung des Verlages ging hervor, daß die Buchhandlungen verständigt, mit Prospektmaterial bestückt seien, und das Buch beim Großhändler abrufbereit liege. Mit stolzgeschwellter Brust betrat sie daher den ersten Buchladen. Ihre Blicke wanderten die Regale entlang, dann zu den Tischen der Belletristikabteilung, wo die Neuerscheinungen ihren Platz hatten. Ihr Mund verzog sich, süßsäuerlich stellte sie fest, daß kein einziges Exemplar ihres Romans auslag. Vielleicht war es noch nicht ausgepackt, suchte sie sich zu beruhigen. Wenn die Verkäuferin erst einmal erfuhr, daß die Autorin des geschichtsträchtigen Werkes vor ihr stand, würde sie sicher auf die Bücher weisen. Weder beim Namen noch bei der Titelnennung dämmerte der Verkäuferin irgend etwas. Cornelia schrumpfte fast auf Zwerggröße. Den unaufhaltsamen Fall zum Däumling stoppte eine Kundin, die mit dem BuchProspekt wedelte und Cornelias Buch kaufen wollte.
Siehst du, so unbekannt bist du also gar nicht, flüsterte es in Cornelia. Doch da hörte sie die Verkäuferin zur Kundin sagen:
„Tut mir leid, wir haben das Buch nicht vorrätig. Es muß bestellt werden, und die Lieferung kann vierzehn Tage dauern.“
„Vierzehn Tage?“ fragte die Dame enttäuscht. „Dann kann ich es zu Weihnachten ja gar nicht mehr verschenken?“
„Vielleicht kann ich Ihnen ein anderes Buch empfehlen. Auf dem mittleren Tisch gibt es eine Auswahl von Neuerscheinungen zum Thema“, flötete die Verkäuferin.
Cornelia wuchs in Sekundenschnelle zum Goliath heran:
„Erlauben Sie mir bitte eine Richtigstellung. Ihre Auskunft ist nicht ganz korrekt.“
„Wieso?“ Die Verkäuferin schaute sie fast zornig an.
„Ich bin Cornelia Schorn, die Autorin von „Schatten der Vergangenheit“, und weiß daher genau, daß mein Verleger innerhalb von drei und nicht vierzehn Tagen liefert. Über den Großhandel erhalten Sie das Buch sogar in zwei Tagen. Sie können also beruhigt sein, gnädige Frau“, wobei sie sich der Kundin zuwandte, „das Buch ist noch vor dem Fest in Ihren Händen.“